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Der Moment für 3 Prozent - Steuerfuss 94% für Aarau
Beschreibung:
Es ist jetzt Zeit für einen fairen Steuerfuss in Aarau — 94% sind realistisch und gerecht!
Die wichtigsten Argumente für eine Senkung des Steuerfusses sind:
Im Jahre 2018 erfolgte eine Anpassung der Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden. Gemäss Berechnungen des Kantons Aargau führte dies bei den Gemeinden zu einer nachweislichen Reduktion der Ausgaben im Umfang von drei Steuerprozenten. Diese Reduktion vom Steuerfuss hat die Stadt Aarau nie vorgenommen.
Die Einwohnergemeinde verzeichnet seit Jahren riesige Ertragsüberschüsse (durchschnittlich fast CHF 7.5 Mio. pro Jahr). Über die letzten fünf Jahre (2016 bis 2020) haben sich Überschüsse von mehr als CHF 37 Mio. aufgetürmt. Es gibt keinen Anlass, weiterhin Steuern auf Vorrat zu erheben.
Der Zukunftsraum Aarau ist definitiv gescheitert — ein grosser Kostenblock fällt nun endgültig weg. Das im Steuerfuss von 97% enthaltene "Zukunftsraum-Polster" soll eliminiert werden.
Der Steuersatz soll deutlich gesenkt werden, bevor der Stadtrat seine eigene Entschädigung um 10% erhöht. Solche Entschädigungserhöhungen sind in einem inflationsfreien Umfeld gar nicht begründbar.
Die Stadt Aarau hat Corona gut überstanden (Ertragsüberschuss von mehr als CHF 4 Mio. im Pandemiejahr 2020); eine Senkung des Steuerfusses würde das Pandemie-Budget vieler Einwohner nachhaltig entlasten.
Vorgeschlagene Lösung:
Für 2022 senkt die Stadt Aarau den Steuerfuss auf angemessene 94%.
Offizielle Antwort:
Sehr geehrter Herr Müller, sehr geehrte Mitunterzeichnende
Sie setzen sich ein für einen fairen Steuerfuss in Aarau und sind der Auffassung, dass ein solcher für das Jahr 2022 bei 94 % liegen müsste. Der Stadtrat teilt gerne seine Überlegungen mit Ihnen, weshalb er für das Jahr 2022 einen Steuerfuss von 97 % beantragt hat. In seiner Antwort orientiert er sich an den fünf Argumenten, die Sie in der "Beschreibung zur Petition" aufführen. Er ergänzt diese mit einem sechsten Punkt, der für seinen Entscheid ebenfalls relevant war.
- Aufgabenteilung
Die Stimmberechtigten haben am 12. Februar 2017 die beiden Gesetze zur Optimierung der Aufgabenteilung und zur Neuordnung des Finanzausgleichs gutgeheissen. Die grössten Aufgabenverschiebungen zwischen dem Kanton und den Gemeinden betreffen folgende Positionen:
- Kantonalisierung der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs
- Kommunalisierung der Finanzierung der Sozialhilfe
- Abschaffung Zuschlag auf den Gemeindebeiträgen am Personalaufwand der Lehrpersonen
- Wegfall Ausgleichsbeitrag der Gemeinden an die Spitalfinanzierung
- Neuordnung Finanzausgleich
Da die Aufgabenverschiebungen den Kanton per Saldo stärker belasten und die Gemeinden insgesamt entlasten, wurde ein Steuerfussabtausch von 3 % beschlossen. Die Entlastungen, die über alle Gemeinden gesehen 3 % betragen, verteilen sich ungleichmässig auf die verschiedenen Gemeinden. Einige Gemeinden wurden wesentlich stärker entlastet als die durchschnittlichen 3 %, andere hingegen sogar belastet. Die Berechnungen haben für die Stadt Aar-au eine Mehrbelastung von fast 2 Steuerprozenten ergeben. Dies ist insbesondere auf die Kommunalisierung der Finanzierung der Sozialhilfe sowie die Neuordnung des Finanzausgleichs zurückzuführen.
Die Stadt konnte nach drei Sparpaketen ihre Erfolgsrechnung im Budget 2018 auch mit einem Steuerfuss von 97 % nicht ausgleichen. Der Stadtrat hatte deshalb beantragt, den Steuerfuss bei 97 % zu belassen. Er hat im Budgetbericht an den Einwohnerrat und in der Abstimmungsbotschaft auf den in Aarau nicht vollzogenen Steuerfussabtausch bzw. die technische Steuerfusserhöhung um 3 % transparent hingewiesen.
- Ertragsüberschüsse von 37 Mio. Franken in den Jahren 2016 – 2020 / Steuern auf Vor-rat
Die von Ihnen errechneten Ertragsüberschüsse von 37 Mio. Franken bilden nur einen Teil des Finanzhaushaltes der Stadt ab. Der Stadtrat stützt seine finanzpolitische Beurteilung nicht nur auf die Erfolgsrechnung, sondern vor allem auf die umfassendere Finanzierungsrechnung ab. Diese bildet nebst der Erfolgsrechnung auch die Investitionsrechnung ab. Stellt man die Selbstfinanzierung (Cash flow Erfolgsrechnung) den Nettoinvestitionen (Saldo der Investitionsrechnung) gegenüber, ergibt sich für die von Ihnen zitierten Jahre 2016 – 2020 ein Finanzierungsüberschuss von 17,1 Mio. Franken. In der vorangehenden Fünfjahresperiode, 2011 – 2015, ist ein Finanzierungsfehlbetrag von 60,7 Mio. Franken entstanden. Somit hat die Stadt in den letzten 10 Jahren über 43 Mio. Franken nicht selber aus der Erfolgsrechnung finanzieren können. Dies, obwohl auch erhebliche Buchgewinne aus Neubewertungen (Jahr 2018: 7,7 Mio. Franken) und Verkäufen in diesen Zahlen sind.
Das Nettovermögen der Stadt stammt nicht aus Steuergeldern, sondern aus der Verselbständigung der Industriellen Betriebe. Der Zinsertrag aus diesem Vermögen stützt das Finanzergebnis der Stadt und deckt einen Teil des betrieblichen Verlustes ab.
- Zukunftsraum
Der Stadtrat stützt seine Anträge zum Steuerfuss auf die Entwicklung des Finanzhaushalts ab. Stehen Veränderungen bevor, die erhebliche Auswirkungen auf die Stadt haben, erachtet es der Stadtrat nicht als sinnvoll, den Steuerfuss zu verändern, bevor die Auswirkungen bekannt sind. Das ist bei übergeordnete Entscheidungen der Fall, wie z. B. bei der jetzt bevor-stehenden Steuergesetzrevision, und das war auch beim Zukunftsraum so.
- Entschädigung des Stadtrats
Die Finanz- und Geschäftsprüfungskommission stellt dem Einwohnerrat jeweils vor Beginn einer neuen Legislatur Antrag zur Stadtratsentschädigung. Sie beantragt eine Erhöhung um durchschnittlich 3.8 %.
Bei der Entschädigung des Stadtpräsidenten wurden vor vier Jahren die bisher definierten Entwicklungsstufen ab dem 5. und dem 9. Dienstjahr gestrichen. Das entspricht nun für die zweite Legislatur einer erheblichen Kürzung.
Zudem wurden bereits auf die Legislaturperiode 2018/2021 hin die Mandatsentschädigungen des Stadtpräsidiums, die bisher zu 50% an den Amtsinhaber / die Amtsinhaberin gingen, gestrichen.
- Bewältigung von Corona / Ertragsüberschuss von mehr als 4 Mio. im Pandemiejahr 2020
Es ist erfreulich, dass die Rechnung 2020 der Stadt trotz des Lockdowns besser abgeschlossen hat als budgetiert. Allerdings ist auch hier das Finanzierungsergebnis relevant (siehe Antwort 2). Dieses beläuft sich auf 1,3 Mio. Franken. Ohne Buchgewinne wäre ein Finanzierungsfehlbetrag von 0,3 Mio. Franken entstanden.
Der Lockdown verursachte einerseits Einbussen (z. B. bei Parkgebühren, Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Grundes oder Eintritten in das Stadtmuseum und das KuK) oder Mehraufwand (z.B. für Schutzkonzepte und Schutzmaterial). Diesen Einbussen stand andererseits Minderaufwand gegenüber, z. B. für abgesagte Veranstaltungen wie Maienzug, Weiterbildungen, Workshops oder eingestellte Bauarbeiten. Die Steuererträge, welche im Jahr 2020 in die Rechnung der Stadt fliessen, wurden im Jahr 2019 verdient oder erwirtschaftet. Die Auswirkungen von Covid-19 auf die Steuererträge zeigen sich deshalb nicht in der Rechnung 2020, sondern ab dem Jahr 2021.
- Steuergesetzrevision
Der Grosse Rat berät derzeit eine Vorlage zur Steuergesetzrevision. Diese Revision umfasst bei den natürlichen Personen eine Erhöhung der Pauschalabzüge für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen. Bei den juristischen Personen geht es um die stufenweise Reduktion des Steuersatzes. Der Kanton will die Ausfälle der Gemeinden teilweise und befristet bis ins Jahr 2025 kompensieren. Der Regierungsrat erhofft sich von der Reduktion dynamische Effekte (Neuansiedlungen von Firmen). Diese Effekte sollen ab dem Jahr 2026 nahezu 40 % der Steuerausfälle kompensieren. Die Reduktion des Steuersatzes bei den juristischen Personen betrifft vor allem die Gemeinden mit einem hohen Anteil an Steuereinnahmen von juristischen Personen. Das heisst insbesondere Städte wie Aarau und Baden.
Wird die Revision so umgesetzt wie vom Regierungsrat beantragt, würden der Stadt ab dem Jahr 2026 Erträge von rund 4 Mio. Franken wegfallen: Können die dynamischen Effekte nicht wie (vom Regierungsrat) erhofft erzielt werden, sind es sogar 5,4 Mio. Franken. Das entspricht rund 8 Steuerprozenten der natürlichen Personen.
Es ist vorgesehen, dass die Steuergesetzrevision auf den 1.1.2022 in Kraft treten soll. Das Budget 2022 der Stadt weist einen Aufwandüberschuss von 1,7 Mio. Franken aus. Darin sind die Auswirkungen der Steuergesetzrevision nicht eingerechnet. Diese werden im Jahr 2022 auf 1,8 Mio. Franken geschätzt. Der Stadtrat und die Mehrheit des Einwohnerrats erachten es nicht als sinnvoll, den Steuerfuss zu senken, bevor die Steuergesetzrevision abschliessend beschlossen ist und deren Auswirkungen bekannt sind.
Die von Ihnen geforderte Senkung des Steuerfusses um 3 % hätte Mindereinnahmen von rund 2,1 Mio. Franken zur Folge. Der Aufwandüberschuss im Budget 2022 würde sich demnach von 1,7 auf 3,8 Mio. Franken (inkl. Auswirkungen Steuergesetzrevision auf 5,6 Mio. Franken) erhöhen.
Dies unsere Ausführungen zu den finanziellen Einschätzungen der Stadt Aarau. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an die Leiterin Finanzen und Informatik, Frau Madeleine Schweizer (madeleine.schweizer@aarau.ch).
Der Stadtrat dankt Ihnen für Ihr Interesse.
Freundliche Grüsse
Im Namen des Stadtrats
Dr. Hanspeter Hilfiker, Stadtpräsident und Daniel Roth, Stadtschreiber